Zeit und Energie
Das Problem an der Sache (worüber niemand so häufig und gerne spricht): Ausmisten kostet. Weniger Geld (das vielleicht auch ein bisschen – das kommt ganz drauf an, was du mit den ausrangierten Sachen im Endeffekt machst; am besten fährt es dir allerdings zusätzliches Taschengeld ein) – als vielmehr: Zeit und Energie.
Vor allem das Letztere ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt: Wenn du dich an deinen letzten Umzug zurückerinnerst, hast du vielleicht noch eine diffuse Vorstellung davon, wie kaputt du am Ende des ganzen Unternehmens warst (und wie du dir geschworen hast, nie, nie nie! wieder umzuziehen).
So ähnlich ist das bei groß angelegten Ausmist-Aktionen auch: Das ist im Prinzip wie ein Umzug, nur im eigenen Hause. Und in einer ein bisschen stressigeren Version. Denn das meiste, was du bisher besessen hast, zieht in die Hände anderer Menschen um. Und dafür, dass das auch zuverlässig passiert, hast du zu sorgen.
Das bedeutet im Klartext:
• Wenn du Treppen hast: Treppenlaufmarathon (und schmerzende Oberschenkel)
• Kistenschleppen
• Bücken, auf dem Boden herumkriechen, aufspringen, wieder hinknien – repeat
• Füße plattlaufen auf dem Weg zur örtlichen Second-Hand-Sammelstelle (oder Caritas oder dem Roten Kreuz) zum Klamottenspenden
• Beine in den Bauch stehen auf Flohmärkten
• Organisation von Käufern auf Online-Plattformen, Abwicklung des Kaufes
• Und nicht zu vergessen: Das ständige Umherwälzen im Kopf – was brauche ich, was nicht, was kann ich stattdessen…?
Daher: Sei lieb zu dir (und den Sachen) und gönne dir Zeit. Das ist so immens wichtig! Gut Ding will Weile haben. Das ist wirklich so.
2. Du respektierst die Mitmenschen in deinem Haushalt nicht.
Wenn dich das Fieber gepackt hat, hast du überall nun nur noch überflüssig Angehäufes herumstehen, siehst, dass eigentlich gar nichts so wirklich geliebt wird und im ehrlichsten Sinn nichts weiter als ein Staubfänger ist, möchtest am liebsten sofort alles spenden oder verkaufen. Hauptsache, schnell weg mit dem ganzen Zeug.
Das Problem (wenn du nicht gerade in einer Single-Wohnung lebst): Eventuell machen deine Mitbewohner*innen oder wahlweise auch dein*e Partner*in nicht dieselbe Entwicklung durch wie du.
Du kannst nicht nur, weil dir die Klamottensammlung deines Partners auf die Nerven geht, du ganz genau weißt, was er schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr getragen hat und definitiv auch nicht mehr tragen wird – und die entsprechenden (aus deiner Perspektive!) überflüssigen Teile, um nervenkostümaufreibenden Auseinandersetzungen über Sinn und Zweck dieser Dinge aus dem Weg zu gehen, still und heimlich entsorgen.
So verständlich solche emotionalen Zustände im Eifer des Lebens-Umkrempel-Wahns (denn um nichts weniger handelt es sich hier) sind: Tu‘ das nicht. Bitte.
Es gibt wenig Respektloseres, als sich am Eigentum anderer Menschen zu vergreifen. Wie gut das auch gemeint sein mag. In dem Moment, in dem du für andere Menschen entscheidest, was für ihn oder sie behaltenswert ist, greifst du fundamental und irreversibel in sein/ihr Leben ein. Und überschreitest eine unsichtbare, tiefrote Markierung.
3. Du hast perfektionistische Vorstellungen vom Minimalist-Sein.
Nicht gut. Gar nicht gut. Kennst du diese Menschen, die so krass perfektionistisch sind, dass sie sich selbst eigentlich andauernd im Wege stehen – und das nicht einmal merken? Ich weiß nicht, wie viele dieser Exemplare es in deinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt (vielleicht gehörst du sogar selbst dazu?), aber ich kann dir aus der Perspektive eines genau solchen Menschen versichern: Das Leben ist furchtbar anstrengend, wenn man alles perfekt machen will.
Und damit kommen wir wieder bogenschlagend (so funktioniert ein richtig guter Text!) zum Anfang zurück: Das kostest sehr viel Energie.
Das genaue Beobachten seiner Selbst sowie das Abklopfen der vorhandenen Gegenstände auf Tauglichkeit, in der neuen, minimalistischen Wohnung verbleiben zu dürfen, kann einen befriedigenden Charakter haben, ein schönes, kontrolliertes Gefühl vermitteln.
Darum geht es ja auch irgendwie beim Minimalisieren:
Um das Wiedererlangen einer Kontrolle über uns selbst und das, was wir in unsere vier Wände in Zeiten des unglaublich ungebändigten Überflusses lassen. Es ist ein Akt der Selbstbestimmung.
Aber wenn der sich darin äußerst, dass du abends von Zimmer zu Zimmer stromerst, die Regale mit den Augen nach Aussortierbarem abscannst und dich diebisch freust, wenn du wieder ein Teil für die Spendenkiste entdeckt hast – dann läuft da etwas falsch.